Am Morgen steht zunächst ein weiterer Besuch im Flüchtlingsheim in Greiz an. Bekannte von mir haben dort den Kontakt geschaffen, warten auf uns auf halber Strecke – schöner Thüringer Wald, angenehmes Tauwetter und in Greiz dann ein sehr freundlicher Empfang bei einer iranischen Familie. Basti, unser Schlagzeuger, wird fast adoptiert, weil er so iranisch aussieht – wir bekommen ein herrliches selbstgemachtes Blätterteiggebäck und Tee und Obst – wie immer eine tolle Gastfreundschaft! Die ganze Familie lebt zu dritt in einem Zimmer das so groß ist wie das Kinderzimmer meines Sohnes – seit Jahren. Immerhin eine breite helle Fensterfront – „Wie Fernsehen!“, lacht der Mann. Bei den Männerzimmern ist es enger, erzählt der Sohn – da sind auch mal vier in einem solchen Zimmer untergebracht. Er selbst spielt in der A-Jugend des örtlichen Fußballvereins, Auswärtsspiele dürfe er nicht mitmachen, da mache er sich strafbar, weil er die Stadt- und Landkreisgrenze verlassen müsse.
Wir machen uns gestärkt auf den Weg Richtung Chemnitz – eine schöne Strecke durch das freundliche Vogtland. Ab und an scheint die Sonne, meine Spikes schnurren auf dem Asphalt – und ich bin gespannt auf Chemnitz, denn dort wartet die spezielle Situation auf uns, dass wir durch eine kurzfristige und sehr unfreundliche Absage des Theaters, das sich grotesker Weise verärgert darüber zeigte, dass ich die Chemnitzer Oberbürgermeisterin um finanzielle Unterstützung bat, beinahe nicht hätten auftreten können – wenn nicht das Weltruf eingesprungen und uns kurzfristig einen Auftrittsort bereitgestellt, wenn nicht einige Leute vor Ort aktiv die Werbung übernommen, mein Namensvetter Friedemann Ratz die Tontechnik gesponsert und überhaupt der Chemnitzer Flüchtlingsrat so toll mitorganisiert hätte. Einer offensichtlichen Gleichgültigkeit der hiesigen „Hochkultur“ steht ein tolles Engagement von Einzelpersonen gegenüber. Das merken wir schon bei der Ankunft: vor dem Chemnitzer Rathaus wartet nicht nur die lokale Presse, sondern auch ein Reporter vom Neuen Deutschland und zwei Radiojournalisten, dazu Mit-Radler und Mit-Läufer und nach ein paar Interviews machen wir uns auf den Weg zur Erstaufnahmeeinrichtung, von der wir schon wissen, dass wir nicht hineinkommen werden – aber wir treffen davor auf ein paar Flüchtlinge, die wir mit gebrochenem Französisch auf das abendliche Konzert einladen. Und dann die erfreuliche Überraschung am Abend – viele Konzertbesucher, viele Flüchtlinge:
Afrikaner, Iraker, Iraner, Syrer, Russen – es wird ein sehr schöner Abend und zum ersten Mal nehmen wir einen vierstelligen Betrag ein: 550.- Euro sind in der Kasse, 495.- Euro noch mal im Spendenstiefel, 100.- Euro gibt uns die sächsische Rosa Luxemburg-Stiftung dazu und noch mal 100.- Euro eine anonyme Spenderin – so zählen wir am Ende 1.245.- Euro für Chemnitz. Ein Traumergebnis, bedenkt man, dass nach der Absage des Theaters Chemnitz als Auftrittsort lange fraglich schien…