Nachdem ich den Montag mit dem Besuch in der vergleichsweise guten Flüchtlingseinrichtung in Potsdam verbracht habe, mit Interviews, mit vielen langen Gesprächen mit Flüchtlingen vor Ort und abends dann wieder Interview mit Radio 1, wo unsere aktuelle CD „Mondpunk“ gerade als CD der Woche viel gespielt wird, steht heute der Besuch der Erstaufnahmestelle Berlin-Spandau an. Ein tristes Containerlager, bei dem aber immerhin die Heimleitung sehr bemüht ist und ein kleines Treffen mit Kaffee und Kuchen organisiert. Ich verliebe mich gleich in zwei kleine Romamädchen und überhaupt werden wir von den Flüchtlingskindern lachend und staunend in Beschlag genommen. Die Realität dahinter ist aber sehr ernst: Menschen, die aus Serbien oder Mazedonien oder Bosnien kommen, haben so gut wie keine Chance auf Anerkennung, selbst Roma aus dem Kosovo haben nur wenig Hoffnung, obwohl mir von dort graumsame und furchtbare Geschichten erzählt werden. Ich habe noch ein paar alte Fußball-WM-Kartenspiele dabei, die verteile ich und dann spielen wir einen kleinen Unplugged-Auftritt und dann müssen wir auch weiter, lassen den traurigen blechernen Containerbau zurück und machen uns auf den Weg quer durch Berlin, durch kalten Nieselregen und verpesteten Straßen. Ursprünglich wollten wir nach Berlin-Marzahn, einem sehr berüchtigten Lager, aber die Heimleitung sagte den termin ab: angeblich sei keiner der Flüchtlinge an einem Gespräch interessiert. So führt uns der Weg in den Berliner Süden, in eine Einrichtung, in der – was wir übrigens noch häufiger finden werden – Obdachlose und Flüchtlinge in einem Gebäude untergebracht sind. Die zehntausend Ampeln kosten uns Zeit, daher treffen wir verspätet ein, dennoch ist es uns noch möglich, mit den Flüchtlingen zu sprechen. Unvergessen dabei die Geschichte eines hühnehaften Schwarzafrikaners aus Gambia, der seit dreizehn Jahren hier lebt. Er hat sogar ein Kind hier, ein wunderhübsches kleines Mädchen, die uns aus vielen Fotos anlächelt. Die Mutter ist Deutsche. Warum er dann aber hier alleine lebe, frage ich vorsichtig. Weil er das Sorgerecht nicht bekommen habe. Weil die Ausländerbehörde übers Jugendamt an die Mutter herangetreten sei und diese gewarnt habe: das Sorgerecht an einen afrikanischen Vater, da könne es schnell passieren, daß der sich mit dem Kind auf Nimmerwiedersehen in Afrika absetze. Sie habe Angst bekommen. Das habe schließlich zur Trennung geführt. Er mußte wieder zurück in dieses Heim.
Wie er sich die Zukunft vorstelle, frage ich – und er lacht laut auf. „Zukunft? Zukunft in Deutschland? – Das da ist meine Zukunft!“ – Und er zeigt auf den TV-Bildschirm, in dem festgefroren die Lottozahlen flimmern. Dann zeigt er seine Bücher, seine Aufzeichnungen – seit drei jahren: Lottospielen! Endlose Zahlenreihen. Endlose Versuche, ein System zu finden, das Glück bringen könnte! Jede Nacht zieht er umher und sammelt Pfandflaschen, um sich die Lottoscheine leisten zu können. Das ist die Zukunft. — Ich fühle mich hilflos, kenne keinen Trost für ihn. Entschuldige mich – mal wieder – für mein Land, für diese Politik.
Im SO36 erwarten uns zwei liebe Kollegen – Dota und Bodo Wartke, die mit ihren Auftritten nicht nur die Show bereichern, sondern auch noch phantastisch die Werbetrommel für diesen Abend gerührt haben. Das SO36 füllt sich, füllt sich – und füllt sich, die Berliner sind sehr aufmerksam, die Stiefel am Ende des Abends prall gefüllt – Rekordergebnis: 2500.- Euro Abendkasse und 700 Euro in dem Spendenschuhen – das macht 3.200.- Euro für die Hauptstadt!