Erfreuliche Ausnahmen
Daß es auch anders geht, möchte ich auch betonen. Viele dieser engmaschigen Gesetze und Bestimmungen haben „Ermessensgrundlagen“, d.h. die zuständigen Menschen in den Behörden und die Heimleitungen könnten auch viel menschlicher agieren. Erschreckend ist, daß sie es so selten tun.
Positiv aufgefallen sind mir in dem Zusammenhang z.B. Flüchtlingseinrichtung in Bremerhaven, auch in Potsdam, auch in Heidelberg – seltene Lichtblicke, bei denen sich Heimleitung und Behörden bemühen, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, ausreichend Wohnraum, Bildungsangebote, Spielzimmer oder sogar Kindergartenbetreuung. So, wie es eben sein sollte: ein Mindestmaß an Achtung und Gerechtigkeit. Und vor allem zeigen diese Beispiele, daß es ja eben doch möglich ist, die Menschlichkeit in solchen Einrichtungen aufrecht zu erhalten. Man muß nur wollen.
Was konnten wir bewirken?
Nun in allererster Linie wieder – wie bei den beiden anderen beiden Triathlonthemen – Öffentlichkeit schaffen! Wobei sehr auffällig war, wie sich vor allem die größeren Medien bedeckt hielten. Hatte ich beim Flussprojekt noch alle drei Tage ein Kamerateam zur Seite, so zeigten die dritten Programme, die politischen Redaktionen, selbst die aufgeschlosseneren Rundfunkstationen (bis auf Deutschlandfunk und Deutschlandradio, die bislang mit offenen Ohren und großer Aufmerksamkeit jedem Thema begegnet sind) recht wenig Interesse. Aufschlussreich fand ich die Fälle, in denen einzelne Redakteure und Journalisten etwas zu dem Thema bringen wollten, aber von den Programmchefs zurückgewunken wurden. Dennoch haben wir durch diese Aktion viele erreicht: fast alle örtlichen Zeitungen haben (zum Teil mehrfach) darüber berichtet. Auch die unabhängigen Lokalradios waren sehr engagiert. TAZ, Süddeutsche und FAZ brachten Artikel zu dem Projekt. Und es waren weit über 10.000 Konzertbesucher da. Die Reaktion auf den Konzerten war immer sehr betroffen, ja erschrocken, manchmal ungläubig – dass so etwas möglich ist bei uns, dass die Flüchtlinge tatsächlich in solchen unmenschlichen Sackgassen feststecken!
Wir haben ein tolles Publikum, das musste ich wieder feststellen – denn die Betroffenheit führte sofort zu Reaktionen: mehr als 500 ehrenamtliche Helfer meldeten sich bei den anwesenden Flüchtlingsorganisationen.
Dann die Spenden. Diese Tour war, ähnlich wie das Flussprojekt, nicht billig. Die Unkosten setzen sich zusammen aus Benzin für zwei bis drei Begleitfahrzeuge, Zugfahrten, Mietwagenkosten, Materialkosten, Reparaturkosten, Verpflegungskosten, Hotelübernachtungen, wenn wir kein Sponsoring bekamen oder nicht privat unterkommen konnten, Reisekosten der Gastkünstler, Verpflegung, eine kleine Aufwandsentschädigung für meine Mitmusiker, unseren Tontechniker und mich, damit wir zu Hause Miete, Krankenversicherung, und laufende Ausgaben zahlen können, Telefon, Porto, Saalmieten usw. – das mußte am Ende der Tour von den gesammelten Spenden und Zuschüssen dann abgezogen werden. Es war alles in allem mit ca. 600.- Euro pro Konzert ein Risiko, aber es ist aufgegangen, wenn auch nicht ganz so gut, wie erhofft. Am Ende der Tour können wir etwa 15.600.- Euro an den Rechtsschutz von Pro Asyl und an die lokalen Flüchtlingsorganisationen weitergeben. Zwischenzeitlich waren es ca. 25.000 – aber durch die schwachen Ergebnisse im äußeren Westen der Republik (Trier, Aachen, Düren, Wuppertal, Saarbrücken, Wiesbaden…) und durch den Zuschauereinbruch wg. Fukoschima, das den politischen Fokus ausschließlich auf die Atompolitik lenkte, büßten wir im letzten Drittel der Tour leider recht viel Geld ein.
Was wir sicher auch bewirken konnten, war, einzelnen Flüchtlingen zu helfen. So haben wir durch eine spontane Unterschriftenaktion in Heidelberg und Freiburg erwirkt, daß eine Roma-Mutter die dauerhafte Besucherlaubnis bei ihren Kindern in einem entfernten Flüchtlingswohnheim erhalten hat, wir gaben vielen Musikern die Gelegenheit, mit uns wieder mal ein Konzert zu geben – oft wirkliche Weltklasse-Musiker, die als kritische Geister natürlich sehr oft aus ihren Heimatländern vertrieben werden. Wir haben uns in Einzelfällen für Rechtsanwälte oder bei den Behörden eingesetzt. Wir konnten vielerorts Denkanstöße selbst in die Politik bringen: so gab mir nach einem Gespräch der stellvertretende Innenminister in Rheinland-Pfalz die Besuchserlaubnis im Ingelheimer Abschiebeknast – und wenn alles gut läuft, werden wir für die dort inhaftierten Flüchtlinge im Sommer ein Konzert geben dürfen. Wir haben auch vieles bewirkt, denke und hoffe ich, was sich ganz meiner Kenntnis entzieht und das wie alles Gute im Stillen und Bescheidenen Blüte trägt. Und wir haben vor allem vielen Flüchtlingen das Gefühl geben können, dass sie nicht komplett vergessen sind.
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